Der Vorsatz – Neues Jahr, neuer Versuch

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Jedes Jahr aufs Neue bricht der Bann und die Erkenntnis folgt. Ein Vorsatz für das kommende Kalenderjahr entsteht. Der Wille ist da. Ob er bleibt, zeigt sich in absehbarer Zeit. Es gibt unzählige Gründe dafür, warum Menschen ihre positiven Zielvorstellungen für das neue Jahr schnell wieder verwerfen. Die Diät hat nicht so gewirkt, wie es den Lesern in der Zeitschrift versprochen wurde. Dabei hat man alles an Schokolade und Chips nebenbei verputzt. Wer liebt es schon, jeden Tag Sauerkraut in sich reinzustopfen?
Den folgenden Satz habe ich in der Vergangenheit oft benutzt: „Jederzeit bin ich in der Lage, mit dem Rauchen aufzuhören“. Der Klassiker schlechthin. Kennt Ihr gewiss. Entweder vom Hören aus dem näheren Umfeld andernfalls von euch selbst. Zu beiden kommen standardisierte Ausreden wie „Man lebt nur einmal“ beziehungsweise „warum soll ich darauf verzichten?“. So redet man sich das bescheidene Gewissen nur selbst aus oder sucht bei einem gescheiterten Versuch ein paar Kilos zu verlieren lieber die Schuld bei den anderen. Doch das schlimmste an dieser Sache ist, dass jeder Einzelne in Wahrheit genau im Bilde ist, was er seinen Körper damit antut, egal womit. Vorwort Ende!
Gleiche Angelegenheit, abgesehen davon ein bildlicher Themenwechsel – ich bin nicht so der Sach- oder Fachtexter und beabsichtige mich mit diesem Artikel nicht als solchen darstellen. Deshalb schreibe ich nachfolgend lieber eine kleine Geschichte.

Der Vorsatz – oder wie ich es geschafft habe, mir das Rauchen abzugewöhnen

Ich den habe den Durchblick darüber verloren, wie viele Versuche von mir unternommen wurden, um mir das Rauchen abzustreifen. Mit vierzehn oder fünfzehn Jahren habe ich durch einen Anfall von allgemeiner Dummheit und pubertärem Ego angefangen, eine menschliche Gift inhalierende Fleischkugel darzustellen. Man stelle sich mal vor, an einem Eimer zu lecken, der mit kalter Asche gefüllt ist. Dazu verbrennt man Papier mit einer Sonderzugabe aus Gummi und getrocknetem Laub. Das wird kombiniert. Folglich leckt der Mensch den Kübel aus, wobei man den Rauch des Brennguts inhaliert. Die daraus resultierenden körperlichen Warnsignale wie Schwindel, Reizhusten, brennen im Hals, sogar der Verlust des Bewusstseins oder die ungewollte Entleerung verdauter sowie unverdauter Lebensmittel aus dem Körperinneren werden als unterhaltsame Belustigung in der kleinen Gruppe von möchtegern herangewachsenen mit piepsenden Stimmen angesehen. Lautes Gelächter und wiederholtes Kettenrauchen gelten dabei als Pflichtprogramm, obwohl man nicht bei klarem Verstand sein kann, so wie dieses düstere Ritual im Kindeskreisen abgehalten wird. Zumindest bei mir. Das war der Beginn einer ausgeprägten und unterschätzten Abhängigkeit.

Etliche Zeiträume vergingen und ich verlor meine schrecklich hohe Stimmlage. Der Babyspeck wanderte langsam Richtung Bauch und Brust, Haare wuchsen jetzt sogar im Gesicht. Ich absolvierte eine handwerkliche Ausbildung, war bei der Bundeswehr, arbeitete eine lange Zeit weiter, gründete eine Familie und später eine Firma. Indessen dieser ganzen Jahre rauchte ich eine Zigarette nach der anderen. Einige Freunde verglichen mich einst oft mit den damaligen Politiker Helmut Schmidt. Er war ein starker Raucher. Ich steckte zu diesem Zeitpunkt in den Mittzwanzigern. Jung, dennoch vom Paffen gealtert. Dabei hört man doch ständig diese schlauen Sprüche wie „Räucherware hält sich länger“ oder Ähnliches. Aber habt Ihr euch mal eine abgehangene Salami genauer angesehen? Sie wird schrumpelig! Warum sollte ich meine menschliche Haltbarkeit durchs Rauchen verlängern, wenn anderes Gedöns ebenfalls schrumpelt. Ohne jeden Zweifel bezieht sich deser Spruch eher auf die Lebensdauer. Bei mir hat eine geräucherte Salami im Übrigen keine hohe Lebenserwartung. Da hat der Rauch nichts an Einfluss. Anders beim Menschen. Das Tabakrauchen verstopft die Blutgefäße, lässt die Haut schneller altern und schädigt die Atemwege, egal ob man sogenannte „leichte“ oder „natürliche“ Kippen in sich einsaugt.
Ich kam den dreißigern näher und habe einen Versuch unternommen, mich dem Rauchen zu entsagen. Ich schaffte es für sieben Monate. Entzugserscheinungen wurden überspielt. Mit aufgesetzt glücklicher Mine. Innerlich tobte ich vor Zorn. Am liebsten hätte ich jeden wie ein wildgewordenes Tier angesprungen und den Kopf abgerissen. Aber eben nur im Innern. Weiterhin verzichtete ich weitestgehend auf Kaffee und Alkohol. So funktionierte es dann angenehmer. Bis ich eines Abends mit einem Kumpel in einem Lokal zusammentraf. Anfangs war alles im Lot. Ein paar Biere später nicht mehr. Ich kaufte mir eine Schachtel Zigaretten und qualmte diese innerhalb kürzester Dauer komplett weg. Mein Freund lächelte nur und sagte einen Standardsatz auf, den zu dieser Zeit nahezu jeder in Worte fasste: „Man lebt nur einmal!“
Und ich war abermals ein Raucher.

Einmal mehr vergingen die Monate. Privat gab es einige Veränderungen, auf die ich hier nicht näher eingehen werde. Ich qualmte um ein Mehrfaches, tagein tagaus. Zwischendurch gab es nicht wenige Momente der Erleuchtung. Dort beschloss ich weitere Versuche, dem Rauchen zu entkommen. Immer mit dem Vorsatz, der Gesundheit zuliebe aufzuhören. Ich gab Unmengen an Geld für Hilfsmittel aus, die versprachen der Nikotinentwöhnung unterstützend entgegenzuwirken. Kaugummis, Pflaster, Spray, Inhalatoren und einiges mehr, was kaum einer Erwähnung bedarf. Obwohl ich mich da gezwungen sehe zu gestehen, dass in meinem Umfeld eine Handvoll Menschen sind, die es mit solchen Wundermitteln geschafft haben und bis dato Nichtraucher sind. Hut ab! Mir haben diese, ich nenne sie mal Entwöhnungshilfen, mehr geschadet wie geholfen. Mit dem Inhalator habe ich mir eine Entzündung der Luft- und Speiseröhre zugezogen, die Pflaster juckten wie des Teufels Kitzelfeder, die Kaugummis schmecken kurzum kacke, waren aber von allem am hilfreichsten. Das Spray sorgte bei mir nur für Halsweh. Und somit habe ich dann viele Versuche unternommen, wo der Erfolg auf sich warten lies.

Aber das war es längst nicht gewesen

Vor einigen Jahren habe ich dann das „moderne Rauchen“ für mich entdeckt. Eine elektrische Zigarette, worin ein Liquid unter extremer Hitze verdampft und dadurch die Illusion des Rauchens entstehen lässt. Es sei gestattet zuzugeben, dass mir diese Form des Nikotinkonsums von allen anderen Möglichkeiten am besten gefiel. Nicht zuletzt durch die enorme Auswahl an Geschmacksrichtungen, die einem ein deutlich besseres Mundgefühl bieten, im Gegensatz einer echten Kippe. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich über fünfzig verschiedene Geschmäcker inhaliert. Angefangen bei den imitierten Tabakliquiden hinüber zu fruchtigen Sorten bis hin zu den süßen, sauren oder fantasieanregenden Arten. Zuletzt bin ich bei einigen der Fantasie entsprungenen Liquidmischungen geblieben. Sie besaßen einen intensiven Geschmack, mit leichter Mentholnote. Und die Preise überzeugten mich sogar fast nochmal um ein Vielfaches, vor allem wenn man sich die einzelnen Zutaten zusammenkauft und daheim selbst Liquids kreiert, sprich unter die Selbstmischer gegangen ist. Lange Rede kurzer Sinn. Ich war totaler Fan vom Dampfen und habe es anderen gegenüber verteidigt. Ich hatte die Illusion, es sei gesünder und würde mir weniger bis gar nicht schaden. Aber dieses Trugbild löste etwas aus, was mich heute lächelnd darauf zurückblicken lässt. Ich stellte fest, meinereiner ist mit dem Rauchen in elektrischer Form genau in dasselbe Muster geraten, wie einst mit den echten Glimmstängeln. Das gab mir einen gewaltigen Antrieb. Jetzt dauerte es nicht mehr lange, bis ich einen steinfreien weg vor mir sah.

Nur wenige Monate später

Nicht weil ich es hinauszögerte, sondern da meinereiner gezwungen war zu warten, vergingen die Jahreszwölftel. Ich hatte einen Termin für ein Nichtraucherseminar, im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf vereinbart. Das fand mehrmals im Jahr an den Wochenenden statt. Und die rar gesäten Plätze waren und sind begehrt. Bis dahin dampfte und rauchte meine Wenigkeit wie ein Schornstein. Ich war der Meinung es realer zu gestalten, wenn echte Kippen geraucht werden.
Dann endlich der angestrebte Tag im Februar 2020. Nach unzähligen erfolglosen Unternehmungen verweilte ich inzwischen auf der Zielgraden. Brav hörte ich den beiden Ärzten zu und befolgte jede kleine Anweisung sowie Hilfestellungen. Mitten in den Gesprächen gab es eine geplante Pause. Alle Teilnehmer wurden aufgefordert, sich ausgiebig an den Stinkstängeln zu ergötzen, eine oder zwei zu rauchen. Je nachdem wie viele man vertrug. Im Anschluss war es erforderlich, sich selbst zu sagen: Von jetzt an ist damit Schluss!
Dann wurden die übrigen Kippen eingesammelt, womit man symbolisch das Ende einer Ära einläutete. Es gab eine Spritze, zur Unterdrückung des Verlangens nach Nikotin und eine Art Hypnose. Das klingt kurz, dauerte insgesamt aber über sechs Stunden hinaus. Anknüpfend gab es hilfreiches Informationsmaterial mit auf dem Weg, der mich heimwärts brachte

Seit diesem Tage bin ich Nichtraucher und habe absolut kein Verlangen mehr. Nur gelegentlich kommt in gewissen Situationen ein Gedanke auf, dass man einst dazu geraucht hat. Aber so wie dieser Impuls aufkommt, so schnell ist er wieder vorbei. Ich fühle mich mit jedem Monat ein wenig stärker. Mein Geschmackssinn hat sich positiv verändert. Ich huste nicht mehr, bekomme sogar problemlos Luft, bin aktiver. Gehe, wenn es die Situation zulässt, öfter raus. Selbst beim Sport merke ich eine Verbesserung der körperlichen Fitness. Ich schlafe besser, meine Familie beschwert sich nicht mehr über den ekelerregenden Geruch. In öffentlichen Verkehrsmitteln bin nicht ich derjenige, der nach kaltem Dunst müffelt. Jetzt, wo man durch unkontrollierbare Umstände gezwungen ist einen Mund- und Nasenschutz zu tragen, bin ich froh nicht mehr zu rauchen. Beobachtet mal die Raucher am Bahnhof. Erst wird genüsslich gequalmt, bis die Bahn einfährt. Dann wird hektisch die Maske aufgesetzt und alle paar Sekunden wird das Gesicht gelüftet, da es schlicht darunter nach kaltem Zigarettenrauch stinkt. Unter dem Schutz riechen das sogar die Raucher selbst. Die breite Masse empfindet weniger dringend das Bedürfnis, ihren Mundbereich so oft mit Frischluft zu versorgen. Das fällt insbesondere auf, wenn man darauf achtet. Es ist kein Vorwurf. Ist nur lustig zu beobachten. Meinen Vorsatz habe ich erfüllt. Es ist nie zu spät. Es schadet nicht das Schmöken aufzugeben? Es ist leichter,als man vermutet. Letztlich entscheidet jeder für sich selbst.

Schlusswort

Das alles spielte sich zwischen 1990 und 2020 ab. Die Zeitspanne einer gefühlten Ewigkeit andernfalls ein halbes Leben. Ich ziele mit diesem Artikel auf niemanden ab oder erlaube mir ein Urteil, zu bilden. Fühlt euch nicht auf die Füße getreten. Jeder macht das, was er/sie für passend hält. Meinen Weg kennt Ihr jetzt, darauf bin ich stolz.
Habt Ihr ähnliche Erfahrungen erlangt? Steckt Ihr inmitten einer Umsetzung des eigenen Vorsatzes für 2021? Schreibt es in den Kommentaren.

Bild von anncapictures auf Pixabay

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tobi

    Moin Tino!
    Tatsächlich habe ich sehr ähnliche Erfahrungen gemacht. Angefangen hat das ganze auch also cooler Jugendlicher und alkoholisierter Diskogänger. Erst noch mit dem Gedanken: Ich werde niemals anfangen „regulär“ zu Rauchen, das ist einfach viel zu eklig. Schade nur, dass mir dabei nicht bewusst war, dass ich mich mit der Substanz mit dem höchsten Suchtpotential abgebe…
    Also folgte etwa ein Jahrzehnt des täglichen Qualmens durchsetzt mit etlichen Versuchen es sein zu lassen. Leider erfolglos, bis ich eines Tages „Endlich Nichtraucher“ in die Finger bekam. Seit dem hat sich sehr vieles geändert, ähnlich wie du es auch beschrieben hast. Und zwar ALLES zum positiven. Plötzlich schien das Unmögliche sehr einfach.
    Besonders gefällt mir die zusätzliche Zeit, die ich mit der Familie und meiner Freundin verbringen kann. Vor allem mit meiner Freundin, die sich nun nicht mehr beschweren braucht. Und zum Glück gibt es ja mehr als nur ein Spiel für Erwachsene (URL in meinem Namen). Zwinker-zwinker.
    Ich freue mich, dass wir es gepackt haben und hoffe auch, dass wir beide nie wieder dieser Sucht verfallen (vielleicht kommt der Staat ja endlich mal auf die Idee der Nikotin-Pandemie ein Ende zu setzen…).
    Alles Gute, Tobi

    1. Tino Dietrich

      Hey Tobi,

      freut mich dies zu lesen.
      Weiterhin viel Erfolg mit dem Startup.

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